Historie

Der Landesverband des Glaserhandwerks Sachsen – ein historischer Abriss

von Ehrenlandesinnungsmeister Kurt Meyer

 

Im Jahr 1881 fanden Vertreter aus den acht Glaserinnungen des Königreiches Sachsen in Dresden zusammen, um im Ergebnis des Ersten Deutschen Glasertages, der vom 3. bis 6. September 1881 in Hamburg stattfand, auch in Sachsen einen Landesverband für die Belange des sächsischen Glaserhandwerks zu gründen. Die Glaserinnungen in Sachsen waren zu damaliger Zeit bereits stabile Organisationen mit einer klaren Ausrichtung auf die Erhaltung und Entwicklung der Innungsgemeinschaft. Schon damals war die Erkenntnis vorhanden, dass die territorial recht enge Grenze der einzelnen Innung überwunden bzw. der Gemeinschaftsgedanke selbst über Ländergrenzen hinweg getragen werden muss, um auf Dauer erfolgreich sein zu können.


Die sächsischen Glasermeister waren bereits zu jener Zeit sehr weise. Das zeigt sich besonders darin, dass der Sächsische Landesverband weitaus eher gegründet worden ist, als zahlreiche andere Landesverbände.


In den Chroniken wurde das sächsische Glaserhandwerk wiederholt erwähnt. So sei Leipzig unbestritten der Hauptort der Deutschen Glaserei, die Glaserstadt schlechthin. Die Leipziger Glaser hatten tendenziell die Fensterherstellung fabrikmäßig betrieben und sich auch in qualitativer Hinsicht bei der Rahmenmacherei hervorgehoben. Der Glaser, so steht es in der Chronik, arbeite im Vergleich zum Tischler mit größerer Geschicklichkeit und vor allen Dingen zierlicher. Auch bringe er mehr Glasfläche in das Fenster.


Der sächsische Glaserfachbetrieb war damals wie auch heute in erster Linie auch Fensterbauer. Die meisterhafte Verarbeitung von Holz bzw. im Verlaufe der Entwicklung auch anderer Werkstoffe, wie Kunststoff und Metall, in der Synthese mit Glas, hatten das sächsische Glaserhandwerk in besonderem Maße geprägt. Mehr und mehr hielt die Maschinentechnik Einzug in die Glaserei. Um die Jahrhundertwende zum 20.Jahrhundert betrug die Handarbeit bei der Fensterfertigung immerhin noch 40 bis 50%. Wenn man sich die Entwicklung aus technischer Sicht vor Augen führt, dann ist dies der Weg vom Maschinenantrieb mittels Dampfmaschine bis zur computergesteuerten Präzisionsmaschine.

 

Maschineneinsatz und Kostenentwicklung, die technischen bzw. technologischen Entwicklungen des Fensters, des Glases und anderer Werkstoffe, das Verhältnis zu den Gesellen, die fachliche bzw. handwerkliche Aus- und Weiterbildung von Lehrlingen, Gesellen und Meistern, die wirtschaftliche Gesamtentwicklung und nicht zuletzt die politischen Bedingungen – das waren in den Jahren und Jahrzehnten mehr oder weniger große Herausforderungen für die Innungen und den Landesverband. Alljährlich fanden Verbandstage statt. Waren doch diese Veranstaltungen stets Foren der Bestandsaufnahme, der Suche nach Mitteln und Wegen zur Überwindung gemeinsamer Probleme und der Orientierung auf die nächste Zeit.


Das vergangene Jahrhundert war für Europa, ja nahezu für die gesamte Welt das blutigste Jahrhundert.


Das Glaserhandwerk und hier vor allem die „Blankglaser“ hatten während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit überdurchschnittliche Leistungen erbracht. Die Wiederherstellung zerstörter Fenster, Wohnungen und öffentliche Einrichtungen wieder nutzbar zu machen, das war ohne das Wirken des deutschen Glaserhandwerks undenkbar und wurde so zur zentralen Aufgabe. Die sächsischen Glaser waren auch in diesen schweren Jahren unermüdlich, Gemeinsames zu schaffen.

 

Sächsische Glasereibetriebe aller Größen schlossen sich zur „Sächsischen Landeslieferungsgenossenschaft des Glaserhandwerks“, abgekürzt „Lago“, mit Sitz in Leipzig zusammen. Dieser Zusammenschluss war letztendlich die Voraussetzung dafür, größere Objekte zu meistern. Nur über diese Form der Kooperation hatten so auch kleinere Glasereien eine Überlebenschance. War es während des Krieges die Anfertigung von „Einheitsfenster“, so mussten nach dem Krieg als eine Form der Wiedergutmachung komplette Holzhäuser in die damalige Sowjetunion geliefert werden, einschließlich der erforderlichen zweiflügligen Kastenfenster. Bis 1945 war das Glaserhandwerk eine in den Innungen bzw. im Landesverband organisierte feste Gemeinschaft.


In der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, zu der auch das Land Sachsen gehörte, wurden die Innungen auf der Grundlage von Befehlen der sowjetischen Besatzungsmacht aufgelöst und durch die Gründung von Berufsgruppen des Handwerks ersetzt. Im Jahr 1946 wurde auch die Gründung der „Einkaufs- und Liefergenossenschaften“ behördlich angeordnet.

 

Die ELGs bzw. im Glaserhandwerk auch EVGs spielten seitdem bis 1990 eine herausragende Rolle beim Zusammenhalt der selbständigen Handwerksbetriebe. Herrschte doch eher eine Mangelwirtschaft vor, so dass die Berufsgruppenversammlungen stets gut besucht waren. Dort gab es dann zumeist die eine oder andere Information über Materialliefermöglichkeiten bzw. Ausrüstungsbeschaffung. Faktisch stellte die Berufsgruppe in Verbindung mit der EVG die Fortsetzung der Innungsarbeit unter den spezifischen Bedingungen der damaligen DDR dar.


Trotz des Mangels in vielerlei Hinsicht, sei es beim Material, oder im Maschinenbereich für die Glas- und Holzbearbeitung, erhielten die Lehrlinge eine solide handwerkliche Ausbildung.


Die damaligen Behörden hatten lange Zeit die Bedeutung des Glaserhandwerks unterschätzt. Dessen ungeachtet wurden Kontakte über die Bezirksgrenzen innerhalb des Glaserhandwerks aufrecht erhalten.


Im Herbst 1989 fanden in Leipzig Montagsdemonstrationen statt, die immer größere Ausmaße angenommen haben. Zahlreiche Glasermeister und Gesellen nahmen an den Demonstrationen in Leipzig und in anderen sächsischen Städten teil. Die Leipziger Montagsdemonstrationen gelten als Auslöser des Sturzes des DDR-Regimes. Damit wurde die politische Wende eingeleitet und der Weg für ein ungeteiltes Deutschland freigemacht.


Am 23.März 1990 erfolgte nach einer 59-jährigen Zwangspause wiederum in Dresden die Wiedergründung des Landesinnungsverbandes des sächsischen Glaserhandwerks. Es war die erste Verbandsgründung innerhalb des Glaserhandwerks in der „Noch-DDR“. Sieben sächsische Glaserinnungen schlossen sich in problemloser Art und Weise zu einem Fachverband auf Landesebene zusammen und vereinigten zugleich 330 Glaserfachbetriebe.

 

Damit war ein gewisser Neuanfang getan. Zum ersten Landesinnungsmeister wurde der langjährige Leipziger Obermeister, Glasermeister Kurt Meyer, gewählt. Bereits am 9.Juni 1990 wurde mit dem Landesverband Baden-Württemberg ein Partnerschaftsvertrag zwischen beiden Verbänden abgeschlossen. Die damaligen Repräsentanten aus Baden-Württemberg, Landesinnungsmeister Heinz Raible und Geschäftsführer Friedrich Schlick, hatten sich in dieser Anfangszeit maßgeblich dafür eingesetzt, dass Glasermeister aus Sachsen recht schnell all das Neue aufnehmen konnten, was sie für die Führung eines Glaserfachbetriebes nach bundesdeutschem Recht benötigen.

 

Neu war nicht nur das politische System, darin eingeschlossen die neuen rechtlichen Anforderungen, sondern neu waren auch verschiedene Materialien, Maschinen und Ausrüstungen, Technologien und vor allem Normen, Montagerichtlinien, die VOB und vieles andere mehr.

 

Der Landesinnungsverband des Glaserhandwerks Sachsen – Fachverband Glas Glasfassade Fensterbau in der Gegenwart (seit 1990)

von Claus-Dieter Krause, ehemaliger Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Glaserhandwerks Sachsen

 

Nach Wegfall der staatlichen Restriktionen zur Wiedergründung der Handwerksinnungen im Frühjahr 1990 wurden überall dort, wo es Berufsgruppen des Glaserhandwerks gab, mit einer kaum beschreibbaren Aufbruchstimmung die Glaserinnungen auf nunmehr freiwilliger Grundlage neu gegründet.

 

Das war dann auch die entscheidende Grundlage für die Wiedergründung des Landesinnungsverbandes des Glaserhandwerks Sachsen am 23. März 1990 in Dresden. Der einheitliche Wille der sieben Glaserinnungen, sich zu einer festen Gemeinschaft in Sachsen noch enger zusammenzuschließen, um künftig die Entwicklung der Unternehmen des Glaserhandwerks entscheidend zu fördern, war wichtiger als die Beachtung formal-juristischer Erfordernisse, die mit der Gründung eines Verbandes im Zusammenhang stehen. So wurde erst Jahre später offiziell der Landesinnungsverband des Glaserhandwerks Sachsen vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit anerkannt.

 

Eine recht große Hilfe in den ersten Jahren seit dem Neubeginn der Verbandsarbeit auf Landesebene war der Partnerschaftsvertrag mit dem Verband aus Baden-Württemberg. Und dies nicht nur in fachlicher Hinsicht. So trugen beispielsweise die ersten abgeschlossenen Tarifverträge im sächsischen Glaserhandwerk eher die Handschrift aus Baden-Württemberg als die aus Sachsen. Das war zur damaligen Zeit durchaus gut und richtig. Führte doch in den ersten Jahren nach 1990 der recht große Nachholbedarf besonders auch beim „Fensterbau“ zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in den Unternehmen des Glaserhandwerks.

 

Es wurde kräftig investiert, und neue Arbeitsplätze entstanden. Zu jener Zeit war auch noch nicht absehbar, wie sich tendenziell die Nachfrage nach handwerklichen Erzeugnissen und Leistungen des Glaserhandwerks entwickeln werde. Alsbald und vor allem rechtzeitig vermochte die Führung des Landesinnungsverbands der sächsischen Glaser sehr wohl zu erkennen, dass der progressive Aufwärtstrend sich früher oder später abschwächen werde. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis bestand zunächst darin, die in den sächsischen Tarifverträgen verankerte Kopplung an die Tarifentwicklungen in Baden-Württemberg baldmöglichst zu beenden. Dies ist dann ab dem Jahr 1994 dank der klugen Verhandlungsführung der Tarifkommission unseres Verbandes gelungen.

 

Die innerhalb des Freistaates Sachsen differenzierten wirtschaftlichen Bedingungen wirkten sich auch auf die Betriebe des Glaserhandwerks aus. Bereits Mitte der 90 er Jahre wurden wirtschaftliche Probleme besonders in den grenznahen Regionen der östlichen Nachbarländer offensichtlich. Das galt es besonders im Tarifrecht weitgehend zu berücksichtigen, was dann mit dem Abschluss neuer Tarifverträge im Jahr 1996 recht gut umgesetzt werden konnte.

 

Unter Führung der Landesinnungsmeister Kurt Meyer (bis Dezember 2000), Falk Härtwig (2000 bis 2012) und seit dem Jahr 2012 von Arnd Steyer, des Vorstandes, der im wesentlichen von den Obermeistern der einzelnen Innungen gebildet wird, ist mit Unterstützung der Geschäftsstelle, die seit 1991 in den Händen der Kreishandwerkerschaft Leipzig liegt, eine Menge im Interesse des sächsischen Glaserhandwerks auf den Weg gebracht worden.


Höhepunkt im Verbandsleben waren bzw. sind die alljährlich stattfindenden Landesinnungsverbandstage.


Verbandstage - das sind Tage der Weiterbildung, des breiten Erfahrungsaustausches und nicht zuletzt auch Tage der Pflege bewährter Traditionen und der Geselligkeit. Veranstaltungsorte waren neben Leipzig, Kleinobersdorf, Meerane, Lubast, Markersbach, Schwarzenberg, Hohe Reuth bei Schöneck und nicht zuletzt Eibenstock.

 

Die Themenauswahl entsprach stets dem aktuellen Bedarf nach Fach- und sonstigen Informationen für die Betriebspraxis, wie beispielsweise technische Normen und Regelwerke, neue Werkstoffe, veränderte Technologien und immer wieder neue rechtliche Anforderungen. Sei es aus dem Bereich des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts, des Baurechts, oder des Werkvertragsrechts. Mit besonderem Interesse wurde der Erfahrungsaustausch untereinander gepflegt. Vor allem sind Beiträge von Sachverständigen aus den eigenen Reihen, wie die von den Glasermeistern Arnd Steyer und Frank Tollert, stets mit großem Interesse aufgenommen worden.


Selbstverständlich wurden und werden verbandsinterne Fragen und Probleme offen und sachlich geklärt. Auch hat der Landesinnungsverband des sächsischen Glaserhandwerks sich öffentlichkeitswirksam an verschiedenen Fachmessen der Leipziger Messe beteiligt, so auf der Messe Holztec bzw. Innbau, auf Baufachmessen und Denkmalmessen sowie auf der mitteldeutschen Handwerksmesse.


Um den höheren technologischen bzw. fachlichen Anforderungen des Glaserhandwerks besser Rechnung tragen zu können, hatten sich die Vertreter aus den Innungen mit der  Führung des Landesinnungsverbandes im Jahr 2002 verständigt, auch in der Außenwirkung des Verbandes die Breite des Glaserhandwerks besser darzustellen. Seitdem wird der Landesinnungsverband durch die Worte: Fachverband Glas Glasfassade Fensterbau ergänzt.

 

Wir sind als Optimisten davon überzeugt, dass auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die feste Gemeinschaft der Fachbetriebe des sächsischen Glaserhandwerks sich behauptet und weiter entwickelt. Das Glaserhandwerk ist ein altes, zugleich jedoch ein modernes und zukunftsfähiges Handwerk. Der Werkstoff Glas wird als Baustoff mehr gefragt denn je. Seine bereits jetzt erreichten Qualitäten, Einsatzmöglichkeiten und hervorragenden Eigenschaften werden mit Sicherheit weiter vervollkommnet.

 

Die Stärke des Handwerks im allgemeinen und des Glaserhandwerks im besonderen besteht darin, dass dank der hohen fachlichen Kompetenz, verbunden mit höchsten Anforderungen an Service, Qualitätsstandard und Flexibilität, individuelle Kundenwünsche erfüllt werden. Dies ist Maßstab und Anspruch zugleich.

 

Die in den sächsischen Glaserinnungen organisierten Glaserfachbetriebe haben am ehesten erkannt, dass die wirtschaftlichen bzw. betrieblichen Herausforderungen heute und in der Zukunft nur dann gemeistert werden können, wenn man in fachlicher, betriebswirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sich als Unternehmen ständig weiterentwickelt und so „auf der Höhe der Zeit“ bleibt. Dazu kann und wird der Landesinnungsverband des Glaserhandwerks Sachsen – Fachverband Glas Glasfassade Fensterbau auch weiterhin aktiv Hilfe und Unterstützung geben.